Streiks wegen 3G-Pflicht: Logistik-Kollaps in Italien?

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Seit dem 15. Oktober braucht man in Italien einen 3G-Nachweis am Arbeitsplatz – wer keinen hat, wird ohne Gehaltfortzahlung freigestellt. Das treibt nicht nur die Impfgegner aus der Logistik auf die Straße.

Der wichtigste Güterumschlagsplatz im Nordosten Italiens hat 950 Mitarbeiter. Rund 40% der Belegschaft sind nicht geimpft und wollen sich auch nicht testen lassen. Ihr Plan: den Hafen blockieren und damit einen großen Teil des LKW- und Güterverkehrs im Land lahmlegen. “Die einzige Möglichkeit für uns ist die Aufhebung der Pflicht zum grünen Pass”, sagte ein Sprecher der Hafenarbeiter.

In Italien gilt seit dem 15. Oktober die Pflicht eines 3G-Nachweises im gesamten Arbeitsleben. Jeder Beamte und Arbeitnehmer, jeder LKW-Fahrer und jede Putzkraft muss per “Green Pass” nachweisen, geimpft, von Corona genesen oder innerhalb der vergangenen 48 Stunden negativ getestet worden zu sein.

Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst müssen den Nachweis selbst dann erbringen, wenn sie im Homeoffice arbeiten. Wer ohne das grüne Zertifikat zur Arbeit kommt, wird suspendiert und bekommt kein Gehalt mehr. Von der neuen Regelung, die vorerst bis Ende des Jahres gilt, sind 23 Millionen Arbeitnehmer betroffen.

Angespannte Transport-Lage am wichtigen Hafen von Triest

In Triest versammelten sich rund 6.000 Menschen. Die Drohung, den Hafenablauf zu blockieren, konnten sie aber nicht wahrmachen. Die Arbeiten liefen langsamer als sonst, hieß es von der Hafenbehörde. Außer an dem einen Tor, vor dem demonstriert werde, habe es keine größeren Einschränkungen gegeben, der LKW- und Güterverkehr sei weitgehend weitergelaufen. An den anderen Häfen, etwa in Genua und Neapel, zeigte sich ein vergleichbares Bild.

Trotzdem könnte sich das Problem als ein längerfristiges erweisen: Conftrasporto, der italienische Spedition- und Logistik-Verband, warnte vor künftigen Lieferproblemen. Viele LKW-Fahrer kämen aus dem Ausland und hätten keinen grünen Pass. Es könne nun sogar eine Massenflucht von Fahrern in ihre Heimatländer drohen. 3,5 Millionen Arbeitnehmer im Land sind noch nicht geimpft. So sollen allein 20% der Polizisten ungeimpft sein. In der Landwirtschaft, im Transport und in der Logistik sind es sogar rund 30% der Beschäftigten.

Eine Uni wird gestürmt, Busse im Trentino fallen aus

Aber auch abseits der Häfen gab es viele kleine Proteste. In Mailand stürmten rund 100 Studenten ohne 3G-Nachweis den Innenhof der staatlichen Universität und skandierten “No Green Pass”. Im Trentino mussten für Freitag 220 Busfahrten abgesagt werden, weil zu wenig Fahrer zum Dienst erschienen. Zu gewaltsamen Ausschreitungen kam es nicht – stattdessen trafen sich am Samstag Zehntausende bei einer Demonstration.

Kritiker sehen in den Regelungen eine Impfpflicht durch die Hintertür. Wer sich nicht impfen lassen will, muss den Test alle zwei Tage aus eigener Tasche bezahlen. Das belastet vor allem Geringverdiener. Vorschläge der Gewerkschaften, die Tests für Arbeiternehmer kostenlos zu machen, lehnte die Regierung ab. Damit würde der Impfanreiz wegfallen.

Solch radikale Maßnahmen erscheinen eher unnötig

Mehr als 85% der Bevölkerung ab zwölf Jahren sind mindestens einmal geimpft, knapp 81% haben den kompletten Impfzyklus hinter sich. Die starke Entwicklung zeigt sich auch in den Corona-Zahlen: Zuletzt sank die Sieben-Tage-Inzidenz auf 29, aktuell gibt es weniger als 80.000 Infizierte im Land.

Italien war mit seinen Corona-Regelungen immer schon drastischer als die anderen Länder Europas. Im April etwa führte Präsident Draghi eine Impfplicht für das gesamte Gesundheitspersonal in Krankenhäusern und Altenheimen ein. Heute ist nur noch ein Bruchteil der Pfleger und Ärztinnen ungeimpft.

Seit September gilt der “Green Pass” für das gesamte Schul- und Unipersonal, bis hin zu Mitarbeitern in der Mensa oder Hausmeistern. Gleichzeitig wurde die 3G-Regel auch in allen Fernzügen, auf inneritalienischen Flügen und Fährverbindungen eingeführt. Überprüft wird das Zertifikat bei den Zügen etwa vor Betreten des Bahnsteigs oder vom Schaffner bei der Ticketkontrolle.

Spedition SPEWIE sieht die Situation in Italien kritisch

Simon Wiesholler, Geschäftsführer der SPEWIE Spedition Wiesholler GmbH aus Holzkirchen bei München, sieht die Situation in Italien kritisch. Er sieht größte Probleme auf die Speditionen zukommen, wenn der Warenverkehr von und nach Italien zum Lotteriespiel wird. “Wir können es mit unserem Verständnis eines fairen Miteinanders nicht vereinbaren, unsere Mitarbeiter zur Impfung zu nötigen. Dies bleibt für uns auch weiterhin die persönliche Entscheidung eines jeden Einzelnen.”.

Zur Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen meint Wiesholler weiter: “Bei einer Impfquote von bereits über 80% erscheinen die Maßnahmen von Präsident Draghi nicht nur zu radikal sondern auch unnötig. Sie gefährden den innereuropäischen Güterverkehr erheblich, zumal Italien und insbesondere Triest wichtige Logistik-Drehkreuze darstellen.”

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